Viele Menschen leiden unter chronischen Nackenverspannungen und Kopfschmerzen. Beim genaueren Zuhören zeigt sich oft, dass diese nicht einfach nur durch die Arbeit am PC, die Alltagsbelastungen oder durch Stress verursacht werden. Für manche Menschen ist es einfacher die Ursachen ihres Leidens im Aussen zu suchen. So liegt die Lösung bei vielen scheinbar ebenso im Aussen. Sie gehen regelmässig in Massagen o.ä. Mir wird immer wieder berichtet, dass diese Behandlungen sehr gut täten. Beim gezielten Nachfragen zeigt sich jedoch, dass die Nachhaltigkeit meistens fehlt, oft ist schon am nächsten Tag alles beim Alten.
Wollen wir chronische Verspannungen nachhaltig verbessern, brauchen wir methodenübergreifende Ansätze. Etwas vom wichtigsten scheint mir die Selbstverantwortung und die Selbstfürsorge. Viele Menschen mit chronischen Kopfschmerzen haben schon früh in ihrem Leben gelernt, den Fokus auf die Bedürfnisse der Anderen zu richten. Damit bekommen sie die Liebe und Zuneigung, die ihnen im Leben fehlt. Der Preis dieses Verhaltens ist jedoch der Verlust des Selbstkontaktes und dass sie ihre eigenen Bedürfnisse missachten. Wenn es uns gelingt diesen Menschen Selbstfürsorge zu vermitteln, legen wir einen wichtigen Grundstein für eine effektive Behandlung chronischer Verspannungen.
Mit TRE® haben wir eine äusserst wirksame Methode, um die Wahrnehmung in den eigenen Körper zu bringen, was die Voraussetzung für Selbstfürsorge ist. Wenn wir regelmässige Achtsamkeit auf unser Inneres praktizieren, nehme wir unsere Bedürfnisse und Grenzen im Alltag besser wahr und können danach handeln. TRE® schult genau diese absichtslose Innenschau. Nebst des Selbstkontaktes löst regelmässiges TRE® natürlich auch wirkungsvoll die Anspannungen des täglichen Lebens und die langanhaltenden Verspannungen, die durch biographische Ereignisse oder Traumata entstanden sind.
Nicht wahrgenommene Gefühle werden in die Muskulatur verpackt, was zu deren ständigen Anspannung führt und die Bildung von Triggerpunkten und faszialen Verklebungen begünstigt. Mit dem integrativen Coaching können wir diesen auf den Grund gehen und neue Formen unseres Selbstausdruckes erlernen.
Um chronische Verspannungen und Kopfschmerzen nachhaltig zu behandeln, braucht es sicher auch eine gezielte Behandlung der schmerzauslösenden Strukturen. Zudem sind Anpassungen des Verhaltens (langes Sitzen unterbrechen, Entspannungs-, Kraft- und Dehnungsübungen praktizieren, Haltungsarbeit, und das Beachten der Ergonomie am Arbeitsplatz) wichtige Pfeiler um chronische Verspannungen zu minimieren.
Mit TRE® können wir die gehaltenen Anspannungen und den Alltagsstress gezielt reduzieren. Wenn wir dies mit integrativem Coaching verbinden, können wir, den darunterliegenden Wurzeln der chronischen Anspannung auf den Grund gehen und alte Verhaltensweise und Glaubenssätze transformieren. Mit Physiotherapie können wir die akuten Beschwerden lindern und den Menschen Tools mitgeben, um ihre Schmerzen selber zu reduzieren.
Die drei Methoden – TRE®, integratives Coaching und Physiotherapie – bewirken zusammen mehr als die Summe jeder dieser einzelnen Therapieformen. Sie ergänzen sich wunderbar.
TRE für junge Eltern – Wie können Eltern von TRE profitieren
Eltern mit Babys und kleinen Kindern stehen vor der Herausforderung, dass jeder Tag anders verlaufen kann und Planung nur bedingt möglich ist. Die gewohnten Strukturen laufen oft aus dem Ruder.
Die Bezugspersonen lernen sich dann häufig selbst von einer ganz anderen Seite kennen. Schlafmangel, ständige Präsenz und heftige, unerwartete Gefühlsausbrüche der Kinder können die Regulation von Eltern ganz schön ins Ungleichgewicht bringen. Viele Bezugspersonen von kleinen Kindern laufen dann zumindest eine Zeitlang am Limit und denken gar nicht mehr daran, auch für sich selbst, z.B. auch für ihre körperliche und seelische Gesundheit gut zu sorgen. Je weniger im Lot sich die Erwachsenen fühlen, desto schwieriger wird es, sich ruhig und mit offenen Herzen dem kleinen Kind zuzuwenden.Hier beginnt oft ein ungünstiger Zyklus der sich gegenseitig bedingenden Stress-Ansteckung bzw. der nicht mehr stattfindenden Co-Regulation. Das kindliche Nervensystem schwingt noch zum grossen Teil mit demjenigen der Bezugspersonen. Das kleine Kind lebt noch in einem Modus der Gefühlsansteckung, weil es sein Ich noch nicht als unabhängig von der Mutter differenzieren kann. Das geschieht erst im Laufe der ersten Lebensjahre, und damit das gut gelingen kann, braucht es ein Gegen- über, das diese verletzlichen Prozesse aus einem regulierten Erwachsenenbewusstsein begleiten kann. Das Kind ist auf feinfühlige Co-Regulation angewiesen, um das kindliche Stresstoleranzfenster sukzessive zu erweitern.Wenn Eltern so erschöpft oder so gestresst sind, dass sie sich selber nicht mehr gut beruhigen können und dann das Gefühl kommt, dass das Kind sie auch noch braucht, wird es ungemütlich. Als Erwachsene stehen wir manchmal genau vor diesem Thema: Es ist nicht einfach, sich selbst gut und rasch zu regulieren, wenn wir das als kleine Kinder nicht oder nur unzureichend von unseren Bezugspersonen erfahren haben und die gegenwärtigen Anforderungen hoch sind. Vielleicht signalisiert uns dann unser Bauchhirn sogar Gefahr, wenn unser kleines Kind so stark weint oder wir das Gefühl haben, dass unser Kind sich aggressiv oder abwehrend verhält.Wenn unser Nervensystem in einem Modus kommt, indem wir Gefahr wittern – und das passiert biologisch ganz autonom, dann wird unser Kampf oder Fluchtverhalten aktiviert oder eventuell sogar ein uns »Wegbeamen« – ein Dissoziieren aus der unerträglichen Situation. In diesem Fall ist in unserem autonomen Nervensystem der sogenannte Sympathikus oder eventuell sogar der dorsale Vagus aktiviert. Für Verbindung mit uns selbst und mit unserem Kind brauchen wir aber, dass der ventrale Vagus aktiv ist. Ist dieser Teil des Nervensystems aktiv, dann drücken wir über unsere Stimme, unsere Mimik und unsere körperliche Präsenz und Zuwendung aus, dass wir DA sind, im Hier und Jetzt, ganz beim Kind, und wir fühlen uns verbunden. Wenn Eltern dem kleinen Baby diesen Zustand so oft wie möglich zur Verfügung stellen können, kann auch das Baby sein ventrales Vagussystem, das System der sozialen Zugewandtheit, funktionsfähig ausbilden.Es ist der Zustand, den wir für Co-Regulation brauchen und der durch die innige Verbundenheit, die wir dann wahrscheinlich spüren, auch unser Hormonsystem beeinflusst. Es werden bindungsstärkende Botenstoffe ausgeschüttet. Ein Kreislauf der Sicherheit und des Wohlbefindens bei der erwachsenen Bezugsperson und beim Kind beginnt. Was bringt nun TRE für diesen Kreis der Sicherheit und des Wohlbefindens und vielleicht sogar für den Bindungsaufbau? Mit TRE können Eltern einerseits körperliche und seelische Anspannung aus ihrem Nervensystem lösen und sich wieder in einem Zustand der Selbstverbundenheit wahrnehmen. TRE stärkt den Zugang zu einem präsenten DA-Sein und sich im eigenen Körper zuhause zu fühlen, sich neugierig und wohlwollend dem eigenen Körperempfinden zuzuwenden. Ein nährender Körperkontakt ist in den ersten Lebensjahren für das Kind elementar für seine gesunde Entwicklung, sein Rausgehen in die Welt und für den Aufbau einer sicheren Bindung. Eltern, die einen bewussten und freundlichen Zugang zu ihrem Körper haben, können dem kindlichen Bedürfnis dann anders begegnen als Eltern, die sich ihrem Körper entfremdet fühlen. Das neurogene Zittern bietet den Bezugspersonen eine einfache und praktikable Möglichkeit, Stress aus dem Hier und Jetzt, aber auch »alten« gespeicherten Stress jederzeit abzuschütteln und wieder in eine Homöstase zu kommen.Gleichzeitig begünstigt das Praktizieren von TRE auch eine Rhythmisierung, das Empfinden, dass wir uns in einer immerwährenden Hin- und Herbewegung befinden und wir uns dieser Bewegung ein Stück weit anvertrauen dürfen. Diese Erfahrung von einem autonomen Rhythmus kann stärkend darauf wirken, dass Eltern den stetigen Wandel, den Kinder zeigen und auch einfordern, entspannter und in Vertrauen begleiten können.Meine Erfahrung ist, dass es grossen Einfluss auf das Familienleben hat, wenn Eltern ihre Fähigkeiten zur Selbstregulation wiederentdecken und diese Kompetenz für das Miteinander einbringen können. Für Bindung braucht es ein gut reguliertes Gegenüber. Eine gut regulierte erwachsene Person ermöglicht dem Kind, seine Gefühlswelt durch die Bezugsperson gehalten zu erfahren und die Erfahrungen als stimmig zu integrieren.TRE kann für Eltern eine entwicklungsunterstützende und auf vielfältige Weise bereichernde Selbsthilfemethode sein, die ihnen nicht nur hilft, Stress ab- und die Bindungsbereitschaft damit aufzubauen, sondern auch den Lebensveränderungen durch das Elternsein gelassener und vertrauensvoller zu begegnen. Marianne Gallizzi https://www.bindungsraum.ch/
TRE® für hochsensible Personen (HSP)
Die Methode TRE® bietet für Hochsensible eine einfache Möglichkeit, ihre Selbstregulation zu verbessern und so in einen entspannteren Alltag zu finden. Um die Wirkweise von TRE® im Bereich Hochsensibilität zu erklären, werden im nachfolgenden Abschnitt zwei Phänomene genauer erläutert.
Hochsensibilität und Hypervigilanz
Das Verhalten einer hochsensiblen Person kann in Alltagssituationen sehr ähnlich sein wie das eines Menschen, der infolge einer traumatischen Erfahrung eine übermässige Wachsamkeit, eine sogenannte Hypervigilanz, erworben hat.
Hochsensibilität, auch Hochsensitivität genannt, ist eine angeborene Eigenschaft des Nervensystems, die dazu führt, dass Menschen innere und äussere Reize stärker wahrnehmen als der Durchschnitt. Die Grenzen zur Hochsensibilität sind fliessend und die Ausprägung bei jedem Hochsensiblen sehr individuell. Die Benennung dieses Persönlichkeitsmerkmals kann das Verständnis fördern, sowohl bei Hochsensiblen selber wie auch bei deren Umfeld.
Hypervigilanz ist eine übermässige Aktivierung des Nervensystems und kann als Folge von traumatischen Ereignissen entstehen. In existenziell bedrohlichen Situationen reagiert der Körper nicht mehr mit Kampf oder Flucht, sondern mit Erstarrung. In diesem Notfallprogramm dominiert Hilflosigkeit und Ohnmacht, und der Körper versucht nur noch zu funktionieren und zu überleben. Bei solch überfordernden Erfahrungen übernimmt der Hirnstamm die Kontrolle und aktiviert instinktive Überlebensreaktionen. Das denkende Hirn (Neokortex) wird dabei abgekoppelt und ausgeschaltet. Wenn der Organismus so überfordert ist, dass ein Mensch dauerhaft in seinen Verteidigungsstrategien feststeckt, bezeichnen wir dies als traumatisch. Dabei spielt es keine Rolle, was das Ereignis war, sondern nur, wie das Nervensystem auf die entsprechende Situation reagiert. Wird diese Trennung zwischen Hirnstamm und Kortex dauerhaft nicht aufgelöst, kann es zu einer Hypervigilanz führen, welche sich in Verhaltensweisen wie Angstzuständen, Depressionen, Anfälligkeit auf Krankheiten, Substanzmissbrauch, Impulsivität und Gewalttätigkeit zeigt. Menschen mit einer Hypervigilanz sind ständig auf der Hut um allfällige Gefahren wahrzunehmen. In einer stetigen inneren Unruhe scannen sie ihre Umgebung und ihr Gegenüber, um Bedrohungen frühstmöglich zu erkennen.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Wegen der vielen Reize, welche aufgenommen und sehr differenziert verarbeitet werden, sind hochsensible Menschen oft dauerhaft an oder über der Grenze zur emotionalen Überforderung und Stress, was zu einer traumatischen Erfahrung werden kann. So können Hochsensible zusätzlich eine Hypervigilanz entwickeln, was die Grenze unklarer werden lässt. Auch sind sie besonders gefährdet, eine Erschöpfung oder gar ein Burnout zu erleiden, denn nur zu gut kennen sie Selbstzweifel, angestrebte Perfektion, Versuche der Anpassung und die Frage nach Sinnhaftigkeit.
Sowohl bei Personen mit Hochsensibilität, wie auch mit einer Hypervigilanz, ist durch eine höhere Empfindlichkeit auf äussere Einflüsse die Schwelle der Überreizung früher erreicht als bei anderen Menschen. Wie mit der Reizflut umgegangen wird und wie schnell jemand wieder in die emotionale Komfortzone zurückfindet, hängt unter anderem mit der Fähigkeit zur Selbstregulation zusammen.
Hochsensible, die keine zusätzliche Traumatisierung erfahren haben, treten in vielerlei Hinsicht anders in Erscheinung als traumatisierte Individuen. Zeigen sich bei hochsensiblen Menschen Anzeichen einer Traumafolgestörung, dann sollten diese nicht nur auf die Hochsensibilität zurückgeführt und als gegeben hingenommen werden. In diesen Fällen macht es Sinn gezielt mit Traumatherapie Einfluss zu nehmen und dadurch die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zu steigern.
Symptome einer Hypervigilanz wären beispielsweise folgende: Rastlosigkeit und Nervosität, das Gefühl, nicht zur Ruhe kommen zu können, Schlafprobleme, auch intensive angenehme Emotionen sind nicht einfach auszuhalten, der Versuch mit Suchtmitteln die Gefühle zu betäuben, Erinnerungslücken, Schwierigkeiten Bindungen einzugehen, ein Gefühl der Leere, ein erschwerter Zugang zu sich selber und den eigenen Empfindungen, Schwierigkeiten die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu spüren, was einem gut tut.
Im Gegensatz dazu weisen hochsensible Menschen ohne Traumatisierung eher folgende Eigenschaften auf: sie geniessen die Zeit für sich alleine, schlafen viel, lehnen Suchtmittel ab, haben viele Erinnerungen auch an sehr frühe Lebensjahre, lieben tiefe Verbindungen in Freundschaft und Partnerschaft, haben ein sehr sensibles Körpergefühl und einen guten Kontakt zu ihren Emotionen.
Wenn durch eine Reizflut die Komfortzone verlassen wird, sind die Reaktionen von Menschen mit Hochsensibilität und mit Hypervigilanz nicht unterscheidbar. Hochsensible, die auf ihre Körperwahrnehmung achten und sich selber gut regulieren können, werden relativ bald wieder in ihrer emotionalen Komfortzone sein. Traumatisierte Menschen hingegen fühlen sich solchen Situationen eher ausgeliefert und verbleiben im Erstarren, Kampf- oder Fluchtmodus.
Zurück in die Balance mit TRE®
Hochsensible Menschen können von der Methode TRE® profitieren, indem dadurch ihre Selbstregulation verbessert wird und sie entsprechend besser mit den vielen Reizen umgehen können. Durch das TRE® können sie ihr Nervensystem zurück in die Balance bringen, ihre emotionale Komfortzone vergrössern und somit den Alltagsstress reduzieren.
Hochsensible Menschen, die zusätzlich traumatisiert sind, profitieren von TRE® als traumalösende Methode und können so Stück für Stück zu sich finden. Je mehr Spannungen sie aus ihrem Nervensystem lösen können und auf dieser körperlichen Ebene zur Ruhe finden, desto mehr werden die Eigenschaften der Hochsensibilität zu einem Geschenk, welches das Leben und die Beziehungen bereichert und nicht belastet.
In TRE gehen wir im Sinne der Polyvagaltheorie von Porges davon aus, dass wir menschliche Säugetiere in ständiger Co-Regulation leben. Unsere Nervensysteme stimmen sich aufeinander ein und stellen im besten Fall gemeinsam Sicherheit her. Für die TRE-Fortbildung haben wir das Format des Co-Teachings gewählt, einerseits um uns als Lehrende zu ergänzen und zu co-regulieren, andererseits, um den Fortbildungsteilnehmenden verschiedene TRE-Stile und Berufshintergründe zu bieten. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass dies gut funktioniert. Als Co-Teacher stellen wir zusammen mit den Assistierenden einen Lernraum zur Verfügung, in dem Teilnehmende sich austauschen und neue TRE-Elemente ausprobieren können. Die Sicherheit dieses Lernraums entsteht nicht durch einen perfekten Rahmen, sondern durch Fehlertoleranz der Lehrenden, durch «Ruptur und Reparatur» innerhalb der Lernbeziehungen. So wie die Teilnehmenden nicht «alles richtig» machen müssen, gehen auch wir Lehrenden davon aus, dass wir immer wieder Fehler machen, zum Beispiel Demos schiefgehen oder wir nicht ganz eingestimmt auf Teilnehmende reagieren. Diese kleinen Brüche, «Rupturen», verstehen wir als Lerngelegenheiten, die «Reparaturprozesse» anregen. Diese beinhalten das gemeinsame Anerkennen des Bruchs, allenfalls Wiedergutmachung und Würdigen des daraus Gelernten. So wird wieder Sicherheit im Lerngefäss hergestellt. Mit jedem durchlaufenen Reparaturprozess stärkt und erweitert sich der Raum für gemeinsames Lernen. Auf uns einzelne Menschen übersetzt bedeutet dies eine Stärkung unseres inneren Gefässes, unserer Fähigkeit, herausfordernde Situationen lebendig zu meistern. Dies erhöht unsere Resilienz.
So wie in der japanischen Tradition des kintsugi zerbrochene Schalen mit Goldlack ausgebessert und zu neuen Kreationen zusammengefügt werden, können in Lernbeziehungen durch Brüche und Reparaturprozesse erweiterte und sichere Lerngefässe geschaffen werden. Verena Maggioni www.verenamaggioni.ch
Berührung kann bei TRE die Sicherheit, die Verkörperung und die Beziehung unterstützen. Steve Haines hat uns in die Geheimnisse des sanften Händeauflegens (Selbst- und zwischenmenschlicher Kontakt), des langsamen Streichens, sowie der aktiven Berührung und des Widerstandes bei TRE eingeführt. Am eigenen Körper konnten wir erleben und auch bei anderen beobachten, wie sich präsente Berührungen positiv auf den Körper und aufs Zittern auswirkten. Die Bewegungen wurden ganzheitlicher, geschmeidiger und die Verbindung zum eigenen Körper intensiver. Es war eine sehr tiefe und berührende Erfahrung, die wir gerne unseren TRE-Klient:innen weitergeben. Ein nächstes Advanced Seminar für Provider und Provider in Fortbildung ist für 2023 in Planung.
Der Einbezug körperlicher Reaktionen in Coaching wird immer beliebter und führt zu einer ganzheitlicheren Betrachtung von Anliegen, die ja nicht nur im Kopf, sondern mit dem ganzen Körper erfahren und abgebildet werden. Deshalb macht es Sinn körperliche Reaktionen, wie ein Zittern in den Lösungsprozess einzubeziehen. Das im TRE® (Tension Release & Exercise) nach David Bercelli beschriebene neurogene Zittern ist eine Möglichkeit körperliche Reaktionen zu erfassen und im Coachingprozess zu nutzen.
Ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, dass in einem Gespräch das Gegenüber gezuckt oder gezittert hat, vielleicht darüber peinlich berührt war oder sich entschuldigte? Eine körperliche Reaktion auf eine Aussage oder ein Wort ist unserer zivilisierten Welt fremd, jedoch für die körperliche „Entladung“ und Regeneration lebensnotwendig. Seit ich mit TRE® arbeite, achte ich mich noch viel mehr darauf, wie der Körper in gewissen Situationen reagiert und beziehe die Körpersignale in den Coachingprozess ein. Wird im Coaching ein Thema angetippt, kann das zu einem körperlichen Vibrieren, einem Körperzittern oder sogenannten ideomotorischen Zuckungen (Bewegungen, die unwillkürlich zustande kommen) führen.
Das ist ein gutes Zeichen im Prozess, macht manchmal dem Coach wie auch dem Kunden Unbehagen vielleicht sogar etwas Angst die Kontrolle zu verlieren. Es ist jedoch so, dass die Reaktionen des Körpers z. B. durch Zittern sehr gesund sind und förderlich in einem ganzheitlichen Lösungs- und Veränderungsprozess. Ja – es kann sogar Sinn machen dieses Körperzittern in den Entwicklungsprozess zu integrieren. Die geschieht dadurch, dass der Reaktion Raum gegeben wird, durch innehalten und dem Körper die Möglichkeit gegeben wird „sein“ Erleben auszudrücken. Der Coach unterstützt die körperlichen Reaktionen, indem er sie benennt, ja sogar fördert und dem Kunden Sicherheit und Vertrauen gibt.
Dies geschieht über Blickkontakt, im Gespräch mit dem Kunden, indem die Gefühle und Stimmungen erfragt werden, Vertrauen in die Normalisierung des eigenen Zitterns geben wird, über die Atmung die Verbindung zu sich geschaffen wird. Dies gilt für den Coach wie auch für den Kunden. Gefühle der Erleichterung oder ein Aufatmen zeigt, dass der Körper die Energie entladen und sich ausgedrückt hat, wie ihn dieses Thema beschäftigt.
Die räumliche Orientierung, die Ermunterung zu spüren und beobachten führt zu einer Anbindung des Erlebten an sich selbst. Das ergibt ein Gefühl der Erdung (Grounding), was ganz wichtig für den ganzheitlichen Lösungsprozess ist. Das bewirkt, dass die Möglichkeiten an Veränderungen in Bezug auf das Anliegen, neue Impulse und Ideen, die auch aus dem Körper kommen, deutlich verbessert. Es gibt ein neues Feld an Lösungsmöglichkeiten – diese kommen nicht nur über die Kognition – sondern in Einbezug des Körpers, was eine grosse Bereicherung ist – denn wir sind ja nicht nur Kopf, wir sind auch Körper und diesen können wir mit seinen Impulsen und dem intuitiven Wissen in den Lösungsprozess miteinbeziehen. Dadurch dass wir die natürlichen Reaktionen des Körpers zulassen und sie vielleicht durch gezielte Beobachtung ein wenig hervorholen, für eine sichere Umgebung sorgen, holen wir einen wichtigen Teil im Entwicklungsprozess zum ganzheitlichen Erleben ein.
Also keine Angst vor Körperimpulsen in Form von Zittern oder Vibrieren, es ist ein Zeichen, dass wir in Verbindung mit unserem Körper sind und durch die Präsenz im Körper wertvolle Impulse für neue Ideen bekommen können.
Ich wünsche uns allen viel Freude und viel Erfolg im Einbezug von körperlichen Reaktionen und Zittern im Körper im Coaching- oder Therapieprozess.
Aktuell
in BlogsDie ewigen Nackenverspannungen…
TRE® und ein methodenübergreifender Zugang
Viele Menschen leiden unter chronischen Nackenverspannungen und Kopfschmerzen. Beim genaueren Zuhören zeigt sich oft, dass diese nicht einfach nur durch die Arbeit am PC, die Alltagsbelastungen oder durch Stress verursacht werden. Für manche Menschen ist es einfacher die Ursachen ihres Leidens im Aussen zu suchen. So liegt die Lösung bei vielen scheinbar ebenso im Aussen. Sie gehen regelmässig in Massagen o.ä. Mir wird immer wieder berichtet, dass diese Behandlungen sehr gut täten. Beim gezielten Nachfragen zeigt sich jedoch, dass die Nachhaltigkeit meistens fehlt, oft ist schon am nächsten Tag alles beim Alten.
Wollen wir chronische Verspannungen nachhaltig verbessern, brauchen wir methodenübergreifende Ansätze. Etwas vom wichtigsten scheint mir die Selbstverantwortung und die Selbstfürsorge. Viele Menschen mit chronischen Kopfschmerzen haben schon früh in ihrem Leben gelernt, den Fokus auf die Bedürfnisse der Anderen zu richten. Damit bekommen sie die Liebe und Zuneigung, die ihnen im Leben fehlt. Der Preis dieses Verhaltens ist jedoch der Verlust des Selbstkontaktes und dass sie ihre eigenen Bedürfnisse missachten. Wenn es uns gelingt diesen Menschen Selbstfürsorge zu vermitteln, legen wir einen wichtigen Grundstein für eine effektive Behandlung chronischer Verspannungen.
Mit TRE® haben wir eine äusserst wirksame Methode, um die Wahrnehmung in den eigenen Körper zu bringen, was die Voraussetzung für Selbstfürsorge ist. Wenn wir regelmässige Achtsamkeit auf unser Inneres praktizieren, nehme wir unsere Bedürfnisse und Grenzen im Alltag besser wahr und können danach handeln. TRE® schult genau diese absichtslose Innenschau. Nebst des Selbstkontaktes löst regelmässiges TRE® natürlich auch wirkungsvoll die Anspannungen des täglichen Lebens und die langanhaltenden Verspannungen, die durch biographische Ereignisse oder Traumata entstanden sind.
Nicht wahrgenommene Gefühle werden in die Muskulatur verpackt, was zu deren ständigen Anspannung führt und die Bildung von Triggerpunkten und faszialen Verklebungen begünstigt. Mit dem integrativen Coaching können wir diesen auf den Grund gehen und neue Formen unseres Selbstausdruckes erlernen.
Um chronische Verspannungen und Kopfschmerzen nachhaltig zu behandeln, braucht es sicher auch eine gezielte Behandlung der schmerzauslösenden Strukturen. Zudem sind Anpassungen des Verhaltens (langes Sitzen unterbrechen, Entspannungs-, Kraft- und Dehnungsübungen praktizieren, Haltungsarbeit, und das Beachten der Ergonomie am Arbeitsplatz) wichtige Pfeiler um chronische Verspannungen zu minimieren.
Mit TRE® können wir die gehaltenen Anspannungen und den Alltagsstress gezielt reduzieren. Wenn wir dies mit integrativem Coaching verbinden, können wir, den darunterliegenden Wurzeln der chronischen Anspannung auf den Grund gehen und alte Verhaltensweise und Glaubenssätze transformieren. Mit Physiotherapie können wir die akuten Beschwerden lindern und den Menschen Tools mitgeben, um ihre Schmerzen selber zu reduzieren.
Die drei Methoden – TRE®, integratives Coaching und Physiotherapie – bewirken zusammen mehr als die Summe jeder dieser einzelnen Therapieformen. Sie ergänzen sich wunderbar.
Katha Boegli
TRE® Provider
Coach & Beraterin IBP
Physiotherapeutin
www.katha-boegli.ch
TRE für junge Eltern – Wie können Eltern von TRE profitieren
Eltern mit Babys und kleinen Kindern stehen vor der Herausforderung, dass jeder Tag anders verlaufen kann und Planung nur bedingt möglich ist. Die gewohnten Strukturen laufen oft aus dem Ruder.
Die Bezugspersonen lernen sich dann häufig selbst von einer ganz anderen Seite kennen. Schlafmangel, ständige Präsenz und heftige, unerwartete Gefühlsausbrüche der Kinder können die Regulation von Eltern ganz schön ins Ungleichgewicht bringen. Viele Bezugspersonen von kleinen Kindern laufen dann zumindest eine Zeitlang am Limit und denken gar nicht mehr daran, auch für sich selbst, z.B. auch für ihre körperliche und seelische Gesundheit gut zu sorgen. Je weniger im Lot sich die Erwachsenen fühlen, desto schwieriger wird es, sich ruhig und mit offenen Herzen dem kleinen Kind zuzuwenden.Hier beginnt oft ein ungünstiger Zyklus der sich gegenseitig bedingenden Stress-Ansteckung bzw. der nicht mehr stattfindenden Co-Regulation. Das kindliche Nervensystem schwingt noch zum grossen Teil mit demjenigen der Bezugspersonen. Das kleine Kind lebt noch in einem Modus der Gefühlsansteckung, weil es sein Ich noch nicht als unabhängig von der Mutter differenzieren kann. Das geschieht erst im Laufe der ersten Lebensjahre, und damit das gut gelingen kann, braucht es ein Gegen- über, das diese verletzlichen Prozesse aus einem regulierten Erwachsenenbewusstsein begleiten kann. Das Kind ist auf feinfühlige Co-Regulation angewiesen, um das kindliche Stresstoleranzfenster sukzessive zu erweitern.Wenn Eltern so erschöpft oder so gestresst sind, dass sie sich selber nicht mehr gut beruhigen können und dann das Gefühl kommt, dass das Kind sie auch noch braucht, wird es ungemütlich. Als Erwachsene stehen wir manchmal genau vor diesem Thema: Es ist nicht einfach, sich selbst gut und rasch zu regulieren, wenn wir das als kleine Kinder nicht oder nur unzureichend von unseren Bezugspersonen erfahren haben und die gegenwärtigen Anforderungen hoch sind.
Vielleicht signalisiert uns dann unser Bauchhirn sogar Gefahr, wenn unser kleines Kind so stark weint oder wir das Gefühl haben, dass unser Kind sich aggressiv oder abwehrend verhält.Wenn unser Nervensystem in einem Modus kommt, indem wir Gefahr wittern – und das passiert biologisch ganz autonom, dann wird unser Kampf oder Fluchtverhalten aktiviert oder eventuell sogar ein uns »Wegbeamen« – ein Dissoziieren aus der unerträglichen Situation. In diesem Fall ist in unserem autonomen Nervensystem der sogenannte Sympathikus oder eventuell sogar der dorsale Vagus aktiviert.
Für Verbindung mit uns selbst und mit unserem Kind brauchen wir aber, dass der ventrale Vagus aktiv ist. Ist dieser Teil des Nervensystems aktiv, dann drücken wir über unsere Stimme, unsere Mimik und unsere körperliche Präsenz und Zuwendung aus, dass wir DA sind, im Hier und Jetzt, ganz beim Kind, und wir fühlen uns verbunden. Wenn Eltern dem kleinen Baby diesen Zustand so oft wie möglich zur Verfügung stellen können, kann auch das Baby sein ventrales Vagussystem, das System der sozialen Zugewandtheit, funktionsfähig ausbilden.Es ist der Zustand, den wir für Co-Regulation brauchen und der durch die innige Verbundenheit, die wir dann wahrscheinlich spüren, auch unser Hormonsystem beeinflusst. Es werden bindungsstärkende Botenstoffe ausgeschüttet. Ein Kreislauf der Sicherheit und des Wohlbefindens bei der erwachsenen Bezugsperson und beim Kind beginnt. Was bringt nun TRE für diesen Kreis der Sicherheit und des Wohlbefindens und vielleicht sogar für den Bindungsaufbau? Mit TRE können Eltern einerseits körperliche und seelische Anspannung aus ihrem Nervensystem lösen und sich wieder in einem Zustand der Selbstverbundenheit wahrnehmen. TRE stärkt den Zugang zu einem präsenten DA-Sein und sich im eigenen Körper zuhause zu fühlen, sich neugierig und wohlwollend dem eigenen Körperempfinden zuzuwenden. Ein nährender Körperkontakt ist in den ersten Lebensjahren für das Kind elementar für seine gesunde Entwicklung, sein Rausgehen in die Welt und für den Aufbau einer sicheren Bindung. Eltern, die einen bewussten und freundlichen Zugang zu ihrem Körper haben, können dem kindlichen Bedürfnis dann anders begegnen als Eltern, die sich ihrem Körper entfremdet fühlen. Das neurogene Zittern bietet den Bezugspersonen eine einfache und praktikable Möglichkeit, Stress aus dem Hier und Jetzt, aber auch »alten« gespeicherten Stress jederzeit abzuschütteln und wieder in eine Homöstase zu kommen.Gleichzeitig begünstigt das Praktizieren von TRE auch eine Rhythmisierung, das Empfinden, dass wir uns in einer immerwährenden Hin- und Herbewegung befinden und wir uns dieser Bewegung ein Stück weit anvertrauen dürfen. Diese Erfahrung von einem autonomen Rhythmus kann stärkend darauf wirken, dass Eltern den stetigen Wandel, den Kinder zeigen und auch einfordern, entspannter und in Vertrauen begleiten können.Meine Erfahrung ist, dass es grossen Einfluss auf das Familienleben hat, wenn Eltern ihre Fähigkeiten zur Selbstregulation wiederentdecken und diese Kompetenz für das Miteinander einbringen können. Für Bindung braucht es ein gut reguliertes Gegenüber. Eine gut regulierte erwachsene Person ermöglicht dem Kind, seine Gefühlswelt durch die Bezugsperson gehalten zu erfahren und die Erfahrungen als stimmig zu integrieren.TRE kann für Eltern eine entwicklungsunterstützende und auf vielfältige Weise bereichernde Selbsthilfemethode sein, die ihnen nicht nur hilft, Stress ab- und die Bindungsbereitschaft damit aufzubauen, sondern auch den Lebensveränderungen durch das Elternsein gelassener und vertrauensvoller zu begegnen.
Marianne Gallizzi
https://www.bindungsraum.ch/
TRE® für hochsensible Personen (HSP)
Die Methode TRE® bietet für Hochsensible eine einfache Möglichkeit, ihre Selbstregulation zu verbessern und so in einen entspannteren Alltag zu finden. Um die Wirkweise von TRE® im Bereich Hochsensibilität zu erklären, werden im nachfolgenden Abschnitt zwei Phänomene genauer erläutert.
Hochsensibilität und Hypervigilanz
Das Verhalten einer hochsensiblen Person kann in Alltagssituationen sehr ähnlich sein wie das eines Menschen, der infolge einer traumatischen Erfahrung eine übermässige Wachsamkeit, eine sogenannte Hypervigilanz, erworben hat.
Hochsensibilität, auch Hochsensitivität genannt, ist eine angeborene Eigenschaft des Nervensystems, die dazu führt, dass Menschen innere und äussere Reize stärker wahrnehmen als der Durchschnitt. Die Grenzen zur Hochsensibilität sind fliessend und die Ausprägung bei jedem Hochsensiblen sehr individuell. Die Benennung dieses Persönlichkeitsmerkmals kann das Verständnis fördern, sowohl bei Hochsensiblen selber wie auch bei deren Umfeld.
Hypervigilanz ist eine übermässige Aktivierung des Nervensystems und kann als Folge von traumatischen Ereignissen entstehen. In existenziell bedrohlichen Situationen reagiert der Körper nicht mehr mit Kampf oder Flucht, sondern mit Erstarrung. In diesem Notfallprogramm dominiert Hilflosigkeit und Ohnmacht, und der Körper versucht nur noch zu funktionieren und zu überleben. Bei solch überfordernden Erfahrungen übernimmt der Hirnstamm die Kontrolle und aktiviert instinktive Überlebensreaktionen. Das denkende Hirn (Neokortex) wird dabei abgekoppelt und ausgeschaltet. Wenn der Organismus so überfordert ist, dass ein Mensch dauerhaft in seinen Verteidigungsstrategien feststeckt, bezeichnen wir dies als traumatisch. Dabei spielt es keine Rolle, was das Ereignis war, sondern nur, wie das Nervensystem auf die entsprechende Situation reagiert. Wird diese Trennung zwischen Hirnstamm und Kortex dauerhaft nicht aufgelöst, kann es zu einer Hypervigilanz führen, welche sich in Verhaltensweisen wie Angstzuständen, Depressionen, Anfälligkeit auf Krankheiten, Substanzmissbrauch, Impulsivität und Gewalttätigkeit zeigt. Menschen mit einer Hypervigilanz sind ständig auf der Hut um allfällige Gefahren wahrzunehmen. In einer stetigen inneren Unruhe scannen sie ihre Umgebung und ihr Gegenüber, um Bedrohungen frühstmöglich zu erkennen.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Wegen der vielen Reize, welche aufgenommen und sehr differenziert verarbeitet werden, sind hochsensible Menschen oft dauerhaft an oder über der Grenze zur emotionalen Überforderung und Stress, was zu einer traumatischen Erfahrung werden kann. So können Hochsensible zusätzlich eine Hypervigilanz entwickeln, was die Grenze unklarer werden lässt. Auch sind sie besonders gefährdet, eine Erschöpfung oder gar ein Burnout zu erleiden, denn nur zu gut kennen sie Selbstzweifel, angestrebte Perfektion, Versuche der Anpassung und die Frage nach Sinnhaftigkeit.
Sowohl bei Personen mit Hochsensibilität, wie auch mit einer Hypervigilanz, ist durch eine höhere Empfindlichkeit auf äussere Einflüsse die Schwelle der Überreizung früher erreicht als bei anderen Menschen. Wie mit der Reizflut umgegangen wird und wie schnell jemand wieder in die emotionale Komfortzone zurückfindet, hängt unter anderem mit der Fähigkeit zur Selbstregulation zusammen.
Hochsensible, die keine zusätzliche Traumatisierung erfahren haben, treten in vielerlei Hinsicht anders in Erscheinung als traumatisierte Individuen. Zeigen sich bei hochsensiblen Menschen Anzeichen einer Traumafolgestörung, dann sollten diese nicht nur auf die Hochsensibilität zurückgeführt und als gegeben hingenommen werden. In diesen Fällen macht es Sinn gezielt mit Traumatherapie Einfluss zu nehmen und dadurch die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zu steigern.
Symptome einer Hypervigilanz wären beispielsweise folgende: Rastlosigkeit und Nervosität, das Gefühl, nicht zur Ruhe kommen zu können, Schlafprobleme, auch intensive angenehme Emotionen sind nicht einfach auszuhalten, der Versuch mit Suchtmitteln die Gefühle zu betäuben, Erinnerungslücken, Schwierigkeiten Bindungen einzugehen, ein Gefühl der Leere, ein erschwerter Zugang zu sich selber und den eigenen Empfindungen, Schwierigkeiten die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu spüren, was einem gut tut.
Im Gegensatz dazu weisen hochsensible Menschen ohne Traumatisierung eher folgende Eigenschaften auf: sie geniessen die Zeit für sich alleine, schlafen viel, lehnen Suchtmittel ab, haben viele Erinnerungen auch an sehr frühe Lebensjahre, lieben tiefe Verbindungen in Freundschaft und Partnerschaft, haben ein sehr sensibles Körpergefühl und einen guten Kontakt zu ihren Emotionen.
Wenn durch eine Reizflut die Komfortzone verlassen wird, sind die Reaktionen von Menschen mit Hochsensibilität und mit Hypervigilanz nicht unterscheidbar. Hochsensible, die auf ihre Körperwahrnehmung achten und sich selber gut regulieren können, werden relativ bald wieder in ihrer emotionalen Komfortzone sein. Traumatisierte Menschen hingegen fühlen sich solchen Situationen eher ausgeliefert und verbleiben im Erstarren, Kampf- oder Fluchtmodus.
Zurück in die Balance mit TRE®
Hochsensible Menschen können von der Methode TRE® profitieren, indem dadurch ihre Selbstregulation verbessert wird und sie entsprechend besser mit den vielen Reizen umgehen können. Durch das TRE® können sie ihr Nervensystem zurück in die Balance bringen, ihre emotionale Komfortzone vergrössern und somit den Alltagsstress reduzieren.
Hochsensible Menschen, die zusätzlich traumatisiert sind, profitieren von TRE® als traumalösende Methode und können so Stück für Stück zu sich finden. Je mehr Spannungen sie aus ihrem Nervensystem lösen können und auf dieser körperlichen Ebene zur Ruhe finden, desto mehr werden die Eigenschaften der Hochsensibilität zu einem Geschenk, welches das Leben und die Beziehungen bereichert und nicht belastet.
Manuela Mühlemann: www.attento.ch
Co-Teaching in der TRE-Fortbildung
In TRE gehen wir im Sinne der Polyvagaltheorie von Porges davon aus, dass wir menschliche Säugetiere in ständiger Co-Regulation leben. Unsere Nervensysteme stimmen sich aufeinander ein und stellen im besten Fall gemeinsam Sicherheit her. Für die TRE-Fortbildung haben wir das Format des Co-Teachings gewählt, einerseits um uns als Lehrende zu ergänzen und zu co-regulieren, andererseits, um den Fortbildungsteilnehmenden verschiedene TRE-Stile und Berufshintergründe zu bieten. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass dies gut funktioniert. Als Co-Teacher stellen wir zusammen mit den Assistierenden einen Lernraum zur Verfügung, in dem Teilnehmende sich austauschen und neue TRE-Elemente ausprobieren können. Die Sicherheit dieses Lernraums entsteht nicht durch einen perfekten Rahmen, sondern durch Fehlertoleranz der Lehrenden, durch «Ruptur und Reparatur» innerhalb der Lernbeziehungen. So wie die Teilnehmenden nicht «alles richtig» machen müssen, gehen auch wir Lehrenden davon aus, dass wir immer wieder Fehler machen, zum Beispiel Demos schiefgehen oder wir nicht ganz eingestimmt auf Teilnehmende reagieren. Diese kleinen Brüche, «Rupturen», verstehen wir als Lerngelegenheiten, die «Reparaturprozesse» anregen. Diese beinhalten das gemeinsame Anerkennen des Bruchs, allenfalls Wiedergutmachung und Würdigen des daraus Gelernten. So wird wieder Sicherheit im Lerngefäss hergestellt. Mit jedem durchlaufenen Reparaturprozess stärkt und erweitert sich der Raum für gemeinsames Lernen. Auf uns einzelne Menschen übersetzt bedeutet dies eine Stärkung unseres inneren Gefässes, unserer Fähigkeit, herausfordernde Situationen lebendig zu meistern. Dies erhöht unsere Resilienz.
So wie in der japanischen Tradition des kintsugi zerbrochene Schalen mit Goldlack ausgebessert und zu neuen Kreationen zusammengefügt werden, können in Lernbeziehungen durch Brüche und Reparaturprozesse erweiterte und sichere Lerngefässe geschaffen werden.
Verena Maggioni www.verenamaggioni.ch
Advanced Seminar Verwendung von Berührung in TRE© mit Steve Haines 27.+28.8.22
Berührung kann bei TRE die Sicherheit, die Verkörperung und die Beziehung unterstützen. Steve Haines hat uns in die Geheimnisse des sanften Händeauflegens (Selbst- und zwischenmenschlicher Kontakt), des langsamen Streichens, sowie der aktiven Berührung und des Widerstandes bei TRE eingeführt. Am eigenen Körper konnten wir erleben und auch bei anderen beobachten, wie sich präsente Berührungen positiv auf den Körper und aufs Zittern auswirkten. Die Bewegungen wurden ganzheitlicher, geschmeidiger und die Verbindung zum eigenen Körper intensiver. Es war eine sehr tiefe und berührende Erfahrung, die wir gerne unseren TRE-Klient:innen weitergeben. Ein nächstes Advanced Seminar für Provider und Provider in Fortbildung ist für 2023 in Planung.
Eva Buschor https://www.eva-bewegt.ch/
TRE® – oder Körperzittern im Coaching
Der Einbezug körperlicher Reaktionen in Coaching wird immer beliebter und führt zu einer ganzheitlicheren Betrachtung von Anliegen, die ja nicht nur im Kopf, sondern mit dem ganzen Körper erfahren und abgebildet werden. Deshalb macht es Sinn körperliche Reaktionen, wie ein Zittern in den Lösungsprozess einzubeziehen. Das im TRE® (Tension Release & Exercise) nach David Bercelli beschriebene neurogene Zittern ist eine Möglichkeit körperliche Reaktionen zu erfassen und im Coachingprozess zu nutzen.
Ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, dass in einem Gespräch das Gegenüber gezuckt oder gezittert hat, vielleicht darüber peinlich berührt war oder sich entschuldigte? Eine körperliche Reaktion auf eine Aussage oder ein Wort ist unserer zivilisierten Welt fremd, jedoch für die körperliche „Entladung“ und Regeneration lebensnotwendig. Seit ich mit TRE® arbeite, achte ich mich noch viel mehr darauf, wie der Körper in gewissen Situationen reagiert und beziehe die Körpersignale in den Coachingprozess ein. Wird im Coaching ein Thema angetippt, kann das zu einem körperlichen Vibrieren, einem Körperzittern oder sogenannten ideomotorischen Zuckungen (Bewegungen, die unwillkürlich zustande kommen) führen.
Das ist ein gutes Zeichen im Prozess, macht manchmal dem Coach wie auch dem Kunden Unbehagen vielleicht sogar etwas Angst die Kontrolle zu verlieren. Es ist jedoch so, dass die Reaktionen des Körpers z. B. durch Zittern sehr gesund sind und förderlich in einem ganzheitlichen Lösungs- und Veränderungsprozess. Ja – es kann sogar Sinn machen dieses Körperzittern in den Entwicklungsprozess zu integrieren. Die geschieht dadurch, dass der Reaktion Raum gegeben wird, durch innehalten und dem Körper die Möglichkeit gegeben wird „sein“ Erleben auszudrücken. Der Coach unterstützt die körperlichen Reaktionen, indem er sie benennt, ja sogar fördert und dem Kunden Sicherheit und Vertrauen gibt.
Dies geschieht über Blickkontakt, im Gespräch mit dem Kunden, indem die Gefühle und Stimmungen erfragt werden, Vertrauen in die Normalisierung des eigenen Zitterns geben wird, über die Atmung die Verbindung zu sich geschaffen wird. Dies gilt für den Coach wie auch für den Kunden. Gefühle der Erleichterung oder ein Aufatmen zeigt, dass der Körper die Energie entladen und sich ausgedrückt hat, wie ihn dieses Thema beschäftigt.
Die räumliche Orientierung, die Ermunterung zu spüren und beobachten führt zu einer Anbindung des Erlebten an sich selbst. Das ergibt ein Gefühl der Erdung (Grounding), was ganz wichtig für den ganzheitlichen Lösungsprozess ist. Das bewirkt, dass die Möglichkeiten an Veränderungen in Bezug auf das Anliegen, neue Impulse und Ideen, die auch aus dem Körper kommen, deutlich verbessert. Es gibt ein neues Feld an Lösungsmöglichkeiten – diese kommen nicht nur über die Kognition – sondern in Einbezug des Körpers, was eine grosse Bereicherung ist – denn wir sind ja nicht nur Kopf, wir sind auch Körper und diesen können wir mit seinen Impulsen und dem intuitiven Wissen in den Lösungsprozess miteinbeziehen. Dadurch dass wir die natürlichen Reaktionen des Körpers zulassen und sie vielleicht durch gezielte Beobachtung ein wenig hervorholen, für eine sichere Umgebung sorgen, holen wir einen wichtigen Teil im Entwicklungsprozess zum ganzheitlichen Erleben ein.
Also keine Angst vor Körperimpulsen in Form von Zittern oder Vibrieren, es ist ein Zeichen, dass wir in Verbindung mit unserem Körper sind und durch die Präsenz im Körper wertvolle Impulse für neue Ideen bekommen können.
Ich wünsche uns allen viel Freude und viel Erfolg im Einbezug von körperlichen Reaktionen und Zittern im Körper im Coaching- oder Therapieprozess.
Sabine Haldemann von Wendepunkt gestalten